Tirol als Dreh- und Angelpunkt der Sprachförderung in der Volksschule österreichweit: 150 Lehrende besuchten Fachtagung im Rahmen des Bundesschwerpunkts Deutsch der PH Tirol
Deutschförderung kreativ und innovativ – zeitgemäße Ansätze, praxisnahe Methoden und Materialien zu sprachlicher Bildung und Sprachförderung – standen auf dem Programm der 2. Tagung des Bundesschwerpunkts Fachdidaktik Deutsch in der Primarstufe am 7. und 8. November 2025 an der Pädagogischen Hochschule Tirol. Rund 150 Lehrpersonen, Schulleitungen, Studierende und Mitarbeiter:innen von Pädagogischen Hochschulen, Universitäten und aus dem Bildungsbereich sowie Interessierte nahmen an den Vorträgen, Workshops und Table Talks teil. Im April 2026 ist die nächste Tagung geplant, im Rahmen derer Schulen Konzepte für die Sommerschule 2026 entwickeln können.
Tirol als Dreh- und Angelpunkt der Sprachförderung in der Volksschule österreichweit
Tirol ist mit der Pädagogischen Hochschule (PH Tirol) österreichweit Dreh- und Angelpunkt für Deutsch- bzw. Sprachförderung, d.h. für kompetenzorientierten Deutschunterricht in der Volksschule, die Förderung von sprachlicher Bildung und den Erwerb der Schriftsprache in der Primarstufe. Mit dem Bundesschwerpunkt Fachdidaktik Deutsch in der Primarstufe, der für ganz Österreich an der PH Tirol unter der Leitung von Julia Festman, Hochschulprofessorin für Mehrsprachigkeit, verankert ist, wird die Expertise zum Thema im Auftrag des BMB gebündelt, weiterentwickelt und österreichweit vermittelt. Das Ziel des Bundesschwerpunkts liegt darin, Volksschullehrer:innen in der Entwicklung und Gestaltung optimaler Lernprozesse im Bereich der sprachlichen Bildung bzw. des Deutschunterrichts, gerade auch im Kontext von Mehrsprachigkeit, zu unterstützen. Dabei setzen Julia Festman und ihr Team auf lernförderliche, aktivierende Unterrichtsansätze – insbesondere auch für den Regelunterricht –, die diversitäts- und sprachsensibel angelegt sind und sowohl analoge wie digitale Materialien, Konzepte und Herangehensweisen einbeziehen. Um solche Zugänge zur Deutschförderung kreativ und innovativ im österreichischen Bildungssystem zu stärken, werden regelmäßig Tagungen organisiert.
Rektorin Regine Mathies: „Der von der PH Tirol verantwortete Bundesschwerpunkt Deutsch bündelt, entwickelt und vermittelt seit 2022 österreichweit Expertise zum Thema Deutsch- und Sprach(en)förderung im Auftrag des BMB. Wir sind stolz auf diesen Auftrag, der zugleich Motivation und Verpflichtung ist, engagierte Sprachförderkräfte aus- und fortzubilden, die eine entscheidende Basis für den Bildungsweg unserer Schüler:innen legen. Als Pädagogische Hochschule konzipieren und bieten wir Lehrenden in Schulen und Hochschulen innovative, lernförderliche und praxisnahe Hilfestellungen, Methoden und Ansätze im Bereich der Sprachförderung und sprachlichen Bildung. Besonders erfreulich ist das große Interesse von Kolleginnen und Kollegen aus Praxis und Wissenschaft, das sich u.a. in der engagierten Teilnahme an unserer Fachtagung ‚Sprache gezielt im Unterricht fördern‘ zeigt.“
Bundesminister Christoph Wiederkehr in der Videobotschaft an die Tagungsteilnehmer:innen: „Für mich ist eine gelungene Sprache die Eintrittskarte in unsere Gesellschaft. Sie ist die Voraussetzung, um überhaupt Bildung erleben zu können, und die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes und auch geglücktes Leben. Ich erachte es als notwendig, dass wir Sprache, insbesondere die deutsche Sprache, aber natürlich auch Mehrsprachigkeit früh fördern. Schon vor Schuleintritt, in der Elementarpädagogik, im familiären Umfeld, aber natürlich ganz besonders in der Schule. Wir sehen, wir haben hier Aufholbedarf, um sicherzustellen, dass alle Schüler:innen dem Unterricht folgen können und so eine gute Bildungslaufbahn bekommen. Ich danke den Organisator:innen und Teilnehmer:innen der Tagung für ihr Engagement in der pädagogischen Praxis, und dafür, beim heutigen Kongress mit dabei zu sein.“
Bundestagung „Sprache gezielt im Unterricht fördern“
Die 2. Bundestagung Deutsch fand unter dem Titel „Sprache gezielt im Unterricht fördern“ von 7. bis 8. November 2025 an der PH Tirol statt. In Keynotes, Table Talks und Workshops von Forschenden, Lehrpersonen und Expert:innen aus Österreich, Südtirol, Deutschland und der Schweiz standen zeitgemäße Ansätze, praxisnahe Methoden und Materialien zu sprachlicher Bildung und zu Sprachförderung bzw. zur Deutschförderung im Mittelpunkt.
So gaben die Vorträge Einblicke in Forschungsprojekte zu Nacherzählungen mithilfe „wortloser“ Videos, zur Diversität in Bilderbüchern oder in systematische Sprachförderung mit der „Sprachenkofferidee“, die an der PH Tirol mit Mehrsprachigkeitsforscherin Julia Festman und ihrem Team entwickelt wurde. Außerdem wurde auf die Frage eingegangen, wie Kinder im Regelunterricht Deutsch als Zweitsprache erwerben können und welche Chancen Mehrsprachigkeit beim Sprachenlernen bietet.
Julia Festman, Hochschulprofessorin für Mehrsprachigkeit und Organisatorin der Tagung: „Aus der Forschung wissen wir schon sehr viel über Mehrsprachigkeit und Sprachenlernen, und auch, wie zentral die Sprachen sind, mit denen Kinder aufwachsen und die sie mit in die Schule bringen – das kann Dialekt sein, das kann eine andere Erstsprache sein. Beide Sprachformen erfordern die Entwicklung der Schrift- und Standardsprache, beide Sprachformern brauchen daher intensive Förderung beim Übergang von mündlicher Alltagssprache zur Schriftsprache und beide liegen den Menschen besonders am Herzen. Sie sind eine Ressource, die bislang noch kaum im Schulkontext genutzt wird. In der Sommerschule haben wir z.B. ganz oft beobachtet, um wie viel engagierter Schüler:innen Deutsch gelernt haben, wenn dabei ihre Erstsprache einbezogen wurde. Durch das Einbeziehen der Erstsprache können die Kinder schneller und leichter verstehen, worum es geht, sind mehr involviert und motiviert, Deutsch zu lernen. Es gilt also die Ressource der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit viel stärker zu nutzen. Sprachförderung ist idealerweise Sprachenförderung – für alle Kinder. Unsere Erfahrung zeigt, dass sich alle Kinder dabei mit Neugierde und Interesse an mehrsprachigkeitsdidaktischen Ansätzen im Unterricht beteiligen. Daher suchen wir gut umsetzbare, wissenschaftlich fundierte Fördermöglichkeiten für Deutsch und für das Sprachenlernen insgesamt.“
Workshops: Gemeinsamkeiten von Dialektsprecher:innen und Kindern mit einer anderen Erstsprache und andere spannende Themen
Rund zwanzig Workshops spannten einen weiten Bogen von der Arbeit mit Dialekten und Standardsprache über Theaterpädagogik bis hin zu Schreibateliers, Storytelling oder lernförderlichem Feedback mit KI.
Die Workshops von Michaela Rieder und Gudrun Kasberger beispielsweise beschäftigten sich mit Schriftsprache und Dialekt, etwa mit den Fragen des Bildungsauftrags – „Sollen wir beim Wandertag Hochdeutsch sprechen?“. Beleuchtet wurde auch, ob Dialektsprecher:innen in der Schule schlechter abschneiden, was Dialektsprecher:innen und Kinder mit einer anderen Erstsprache gemeinsam haben, wenn sie als Erstklässler:innen in die Schule kommen und wie man deren Sprachkenntnisse z.B. mit Dialogischem Lesen fördern kann. Dazu stellte Michaela Rieder vor, wie sie Dialekt gezielt beim Vorlesen eines Kinderbuchs einsetzt.
Florian Jäger, Philip Haller und Christine Reiter vermittelten in ihrem Workshop Ansätze für diversitätssensiblen Unterricht. Dabei behandelten sie u.a. die Frage, wie es gelingen kann, den Erfahrungsschatz der Kinder als Ressource wahrzunehmen, ohne Klischees oder Stereotype zu erzeugen und Lebenswelten und Alltagswirklichkeiten als sprachliche und kulturelle Ressource zu nutzen. Ein Beispiel ist das Thema „Zuhause“ bzw. „Wohngebäude“ im Sachunterricht, in dem Bilder von Hochhäusern aus den Herkunftsorten der Schüler:innen – Innsbruck, Rom oder Nairobi – gezeigt und als Sprachanlässe genutzt wurden.
Ein weiterer Workshop stellte die Arbeit mit Lesestrategien vor, die von Julia Festman entwickelt wurden: Mit einem einzigen Set an Lesestrategien, handlich gebündelt in Form eines Fächers, können Lehrpersonen damit das Lesen und Arbeiten eines jeden Textes, egal welchen Inhalts, welcher Textsorte oder welcher Sprache, gezielt und einfach im Unterricht steuern. Die Strategien stehen in mehreren Sprachen zur Verfügung und können als zweisprachige Version (z.B. die Vorderseite Deutsch, die Rückseite in der Erstsprache) im Regelunterricht und im Erstsprachenunterricht verwendet werden. Auch Schüler:innen mit Fluchterfahrung, die unter dem Jahr neu in die Schule eintreten und noch nicht so gut in Deutsch sind, können die Strategien in ihrer Erstsprache verstehen und sind damit stärker am Unterricht beteiligt.
150 Teilnehmer:innen aus Tirol und dem deutschsprachigen Raum
Rund 150 Teilnehmer:innen waren für die Tagung nach Innsbruck an die PH Tirol gekommen: Lehrer:innen, Schulleiter:innen, Mitarbeitende von (Pädagogischen) Hochschulen, von Bildungsdirektionen und Verbänden, Studierende des Lehramtsstudiums Primarstufe wie auch fachverwandter Studiengänge, beispielsweise der Elementarpädagogik oder der Lehramtsstudien in der Sekundarstufe, und alle am Thema Interessierten aus Tirol und dem gesamten deutschsprachigen Raum.
Am 10. April 2026 findet übrigens die 3. Bundestagung statt: zum Thema Sprachförderung und Sommerschule können u.a. im Rahmen der Tagung Konzepte für die Sommerschule an der eigenen Schule entwickelt werden.